Pressemitteilung vom 23.10.2017

 

 

Auf der traditionellen Herbstklausur der Fraktion Freie Wähler im Landkreis Görlitz am 20. und 21.10. in Hörnitz wurden aktuelle Themen der Kreispolitik vor allem die Schulnetzplanung, integrative und heilpädagogische Kinderbetreuung in Kitas, Schulsozialarbeit, ÖPNV und die wirtschaftlich-soziale Lage im Zusammenhang mit der Haushaltssituation im Landkreis beraten. Es ergeben sich dazu Forderungen an die Landesregierung. Bitte lesen Sie dazu folgende Pressemitteilung.

Pressemitteilung vom 23.10.2017

Die Fraktion der Freien Wähler im Landkreis Görlitz begrüßt, dass das Ergebnis der Bundestagswahl endlich zu den richtigen Überlegungen innerhalb der Großen Koalition, der Noch-Landesregierung und auch beim designierten MP führt. Der notwendige Regierungsumbau wird nur mit einem Umsteuern in der sächsischen Landespolitik ein Erfolg. Die Menschen in Sachsen wollen klare Veränderungen sehen, die Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre müssen korrigiert werden.

Für eine zukunftsträchtige Entwicklung Sachsens fordern wir, endlich die Politik zu beenden, die das Gegeneinander kreisfreier Städte und des kreisangehörigen Raums hervorgerufen hat. Das Schlagwort von der „Attraktivität des ländlichen Raums“ muss endlich Realität werden, sonst wird Sachsen der Weg zu einer besseren wirtschaftlichen Lage durch den bereits akuten Fachkräftemangel nicht nur erschwert sondern blockiert.

Wir brauchen nicht nur Lehrer/-innen, Ärzte/Ärztinnen, Pflegepersonal, Polizist/-innen – wir brauchen Menschen, die den ländlichen Raum bevölkern, weil sie dort gern leben und arbeiten. Für eine Attraktivität des ländlichen Raums, für eine Attraktivität Sachsens braucht es deutlich mehr Geld im regulären System – Landkreise, Städte und Gemeinden müssen ihre Aufgaben selbstständig erfüllen können. Die Zustände in Schulen, Kitas, Feuerwehren, Rathäusern spotten nicht selten ihrer öffentlichen Funktion.

Sinnvoll sind nicht immer wieder neue Fördertöpfe, bei denen Windhundprinzip und Lobbyismus die Vergabe bestimmen, sondern die konstante auskömmliche Finanzierung der Kommunen. Die Fortschreibung von Gesetzen und Richtlinien – Brandschutz, Inklusion, Umsatzsteuer sind nur drei aktuelle Themen – erfordert eine parallele Betrachtung der Leistungsfähigkeit der Kommunen. Uns hilft das Prinzip „Kommunen als Unternehmen“ nicht, sondern wir fordern, dass die öffentliche Hand in die Lage versetzt wird, für die Bürger/-innen transparent und erkennbar ihre Aufgaben zu erledigen aber auch Spielräume für freiwillige Aufgaben behält. Die unzähligen Einschnitte der letzten Jahrzehnte in allen Bereichen des Lebens machen die Menschen wütend. Rathäuser müssen mehr können, als zu erklären was künftig nicht mehr geht. Dabei haben bisher weder die Einführung der doppischen Haushaltsführung noch die letzte Funktionalreform geholfen. Der Freistaat hatte zwar wieder Aufgaben in die Kommunen delegiert aber die Finanzierung nicht ausreichend geklärt. Dabei sind weder neue Landkreis- noch Gemeindefusionen der Lösungsansatz – die Zentralisierung öffentlicher Aufgaben führt zur zunehmenden Distanz zwischen Menschen und der öffentlichen Hand.

Was vor 30 Jahren auch auf der „kleinsten Klitsche“ selbstverständlich war, ist in atemberaubendem Tempo vielen Menschen verloren gegangen, immer mehr Werte, Traditionen und Selbstverständlichkeiten aus ihrem Leben: Kindergarten, Schule, ‚Konsum‘, Gemeindeamt, Hausarzt, Polizei, Sparkasse, Bäcker, Fleischer, Sportverein, der Arbeitgeber… Es ist klar, dass nicht alles erhalten werden kann, aber es herrscht angesichts der Lage in vielen Kommunen die Angst, dass bald vielleicht nur noch eine Mitfahrbank und mit ein bisschen Glück im nächsten Ort ein Bürgerterminal der einzige öffentliche Service bleiben.

Es sollte nunmehr im Finanz- wie auch den scheinbar untergeordneten Ministerien für Inneres sowie Wirtschaft und Arbeit klar geworden sein, dass sich der Freistaat selbst bei den Themen Schulbildung, Infrastruktur und Sicherheit in die derzeitige desaströse Lage gespart hat. Wir erwarten, dass ein angekündigtes Umsteuern bis hinunter in die Abteilungen, die nach einem Politikwechsel von den gleichen Beamten besetzt bleiben, durchgesetzt wird.

Die Standortnachteile Sachsens im deutschlandweiten Wettbewerb um gute Lehrkräfte sind umgehend zu beheben – es gibt viele junge sächsische Familien, die ihre Rückkehr in ihre Heimat – den Freistaat – davon abhängig machen.

Für eine zukunftsträchtige Entwicklung Sachsens sind für Familien jegliche Hürden zu senken, die einen Kinderwunsch in Frage stellen – wir fordern die Übernahme der Kitagebühren durch den Freistaat – mindestens im Vorschuljahr.

Wir brauchen keine Pressemitteilungen der Polizeidirektionen mehr, die zwischen subjektiv gefühlter und echter Sicherheit unterscheiden – im Grenzraum des Landkreises Görlitz ist eine hohe Kleinstkriminalität und eine besorgniserregend einfache Drogenbeschaffung Tatsache. Hier muss der Freistaat reagieren, neue und noch mehr Wege zu finden, die Sicherheit zu gewährleisten ohne die Grenzöffnung und die Entwicklung eines europäischen Raums in Frage zu stellen. Unsere Polizeikräfte vor Ort sind mit einer enormen Überstundenbelastung und einer niedrigen Personalstärke nicht dauerhaft in der Lage, die Exekutive zu repräsentieren.

Immer neue Rekorde bei den Steuereinnahmen, eine faktische Schuldenfreiheit Sachsens dürfen nur eine Konsequenz haben: Investitionen in unsere Zukunft. Schulhausbau, Breitband, Straßenbau und ÖPNV sind stärker angebotsorientiert als nach reinen Kennzahlen auszurichten.

Wirtschaftsförderung für den ländlichen Raum darf nicht an der Infrastruktur scheitern, muss den Strukturwandel gestalten und gegen den demografischen Wandel arbeiten.

Wir fordern, dass Förderprogramme der Europäischen Union, des Bundes oder Sachsens rasch und mit dem geringst möglichen bürokratischen Aufwand umgesetzt werden. Hierzu muss Sachsen aber auch die Bundesrepublik in zwei Richtungen besser agieren: Schluss mit der Rückversicherungsmentalität eigener Behörden und Sachbearbeiter/-innen und mehr Engagement in Brüssel, Berlin und Dresden für wieder vereinfachte Verfahren. Es dauert viel zu lange, bis berechtigte Fördervorhaben umgesetzt werden können. Zu viele Kontrollmechanismen bremsen an zu vielen Punkten nahezu jedes Projekts.

Hinzu appellieren wir an die politischen Mitbewerber aller demokratischen Parteien: Politisches Engagement, dass unsere Demokratie erst ermöglicht, darf nicht auf Landesebene enden. Es ist erschreckend, wie wenig Kraft insbesondere die großen Parteien in den ländlichen Raum investieren. Stärken Sie Ihre Organisationen, schaffen Sie wieder mehr Möglichkeiten für demokratischen Austausch, Diskussion und Streit – so können Sie die Menschen zurück gewinnen. Es ist kein Zufall, dass freie Wähler oder ähnliche Gruppierungen – meist lokal und regional organisiert – eine Vielzahl der sächsischen Rathäuser steuern. Direkt bei den Menschen, ihren Sorgen, Fragen und Anliegen aber angesichts der letzten Jahre scheinbar weit weg vom fernen Dresden.